ADHS bei Frauen

ADHS – heimtückisch bei Frauen

„Sie war doch immer so ein liebes Mädchen. Etwas ruhig und still vielleicht. Ja, der Schreibtisch sah immer wüst aus, aber sonst…Die Noten waren doch immer so gut! Und jetzt? Nichts kriegt sie hin. Guck dir die Wohnung an! So eine Schlampe. Und auf der Arbeit kriegt sie auch nichts gebacken, ständig wird sie gekündigt, weil sie Fehler macht. Davon mal abgesehen, dass die Kinder nicht erzogen sind und machen was sie wollen…Dauernd heult sie rum, dass ihr alles zu viel ist. Als ob andere Mütter nicht genau die gleichen Probleme haben wie sie. Sie soll sich mal nicht immer so anstellen…“

ADHS ist mit einer Prävalenz von ca 5% eine der häufigsten kinder- und jugendpsychiatrischen Erkrankungen. Bei ca 2/3 der betroffenen Kinder kommt es zu einer Persistenz bis ins Erwachsenenalter, oft mit einem hohen Leidensdruck, die eine weitere Behandlung notwendig machen. In der Kindheit sind mit einem Geschlechterverhältnis von 3-4:1 mehr Jungen als Mädchen betroffen, im Erwachsenenalter gleicht sich das Verhältnis an. Doch woran liegt dies? Heilt bei Jungen die ADHS eher aus oder werden Mädchen mit ADHS zu häufig übersehen?

Anders als Jungs fallen Mädchen mit ADHS in der Kindheit selten auf. Es gibt nicht viele Mädchen, die laut sind, auf Bäume klettern und herumtoben, ständig reden und jedem ins Wort fallen. Mädchen mit ADHS entsprechen selten dem Klischee des klassischen Zappelphilipps. Die meisten sind sie still, ruhig und zurückgezogen. Sie sind dem unaufmerksamen Typus der ADHS zuzuordnen. Doch ihre Probleme im Alltag sind nicht weniger gravierend als die der Jungs. Sie verlieren sich in Tagträumereien, können dem Unterricht nicht folgen. Sie vergessen die Hausaufgaben, trödeln, verlieren die Arbeitszettel, der Schreibtisch sieht chaotisch aus. Ihre Unruhe zeigt sich im Kleinen. Sie kauen an den Nägeln oder spielen sich ständig an den Haaren. Bei Stress reagieren sie mit emotionalen Durchbrüchen. Im Gegensatz zu Jungen zeigen sie Ängste oder beginnen zu weinen, statt ihre Wut und ihre Gefühle lautstark hinaus zu schreien. Ansonsten stören sie niemanden großartig. Sie fallen kaum auf, und es wird selten eine ADHS hinter den Symptomen vermutet. Die betroffenen Mädchen gelten als faul, hören, sie sollen „sich mehr anstrengen“ oder „sich zusammenreißen“.

Es beginnt ein Teufelskreis, der sich im Leben der erwachsenen ADHS-betroffenen Frau fortsetzt. Krampfhaft und mit großem Kraftaufwand versucht sie bereits als Mädchen, den an sie gestellten Erwartungen und gesellschaftlich Klischees zu entsprechen. Sie macht ihre Schwierigkeiten und Konflikte mit sich selbst aus. Es ist ein immerwährender Kampf gegen Windmühlen, sich zu organisieren, bei der Sache zu bleiben, den Ansprüchen ihrer Umwelt zu genügen. Sie hört, wie faul sie sei, dass sie es nicht schafft, sich keine Mühe gibt. Sie entwickelt Selbstzweifel, ihr Selbstwertgefühl rutscht in den Keller. Nicht lange, und sie bekommt Depressionen, Angststörungen und Suchterkrankungen.

Viele Frauen mit ADHS wirken lange Zeit unauffällig. Seit der Kindheit haben sie gelernt, ihre Schwierigkeiten im Alltag zu überdecken und zu verstecken. Sie entwickeln Kompensationsmechanismen, die lange Zeit mehr oder weniger gut funktionieren. Dass sie sich innerlich verzehren fällt der Umwelt nicht auf. Sie wirken stark und selbstbewusst. Die Anstrengung und der Kraftaufwand, den sie jeden Tag leisten, fallen niemandem auf. Eine saubere, aufgeräumte Wohnung ist selbstverständlich, ebenso wie fehlerlose, ordentliche Arbeit. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit verstehen sich von selbst.

Bei Frauen wird ADHS später als bei Männern diagnostiziert. Bei vielen Mädchen dominieren die Symptome des Unaufmerksamen Typus der ADHS. Sie fallen im Gegensatz zu den Jungs nicht auf, leiden seltener an Lernschwächen wie z.B. Lese-Rechtschreib-Schwäche oder Rechenschwäche. Sie können in der Anfangszeit mit Schwierigkeiten in der Schule besser umgehen, diese besser verstecken. Sie stören keinen, keiner nimmt Anstoß an ihnen, ihre Probleme fallen unter den Tisch. In jungen Jahren leiden sie seltener an zusätzlichen Erkrankungen wie z.B. Depressionen. Es kommt seltener zu Facharztvorstellungen als bei Jungen. In der Pubertät steigt das Risiko für die Entwicklung einer Persönlichkeitsstörung, Angststörung, Depressionen oder Essstörungen. Die Gefahr ist groß, dass das Augenmerk nur hierauf gerichtet wird. Die zugrunde liegende ADHS wird übersehen.

Vor allem bei Frauen mit hohem IQ wird ADHS oft übersehen. Wie viele Betroffene haben nicht schon den Satz gehört „Sie können keine ADHS haben, Sie haben ja Abitur“. Wieviel Kraft es diese jungen Frauen gekostet hat, das Abitur zu erreichen, wird ignoriert. Sie haben mehr geleistet als ihre Altersgenossinnen, um das gleiche Ergebnis zu erzielen. Eine Wertschätzung bekommen sie dafür nicht. Es wird als selbstverständlich angesehen. Je höher der IQ, desto besser schaffen es Frauen mit ADHS, ihre Symptome zu verstecken und eine Fassade aufzubauen. Sie lernen früh, sich anzupassen. Sie fallen nicht auf, arbeiten hart, machen es jedem Recht. Durch ihre Intelligenz haben sie weniger Schwierigkeiten in der Schule. Sie fallen lange Zeit aus dem Raster und entziehen sich einer Diagnose – was auf sie und ihr Leben gravierende Auswirkungen hat. 

Die jungen Frauen gehen bis an ihre Grenzen und noch ein großes Stück weiter. Wenn auf einmal keine Kraft mehr da ist, brechen sie zusammen und alle sind irritiert. Jeder guckt mitleidig und verständnislos. Die ADHS-betroffene Frau hat plötzlich und unerwartet Ängste und Depressionen. Da sie vorher nie nach Hilfe gerufen hat, kommt als Reaktion nur ein „Stell dich nicht so an, jeder hat viel zu tun“.

Bei vielen jungen Frauen treten die Symptome mit dem Auszug aus dem Elternhaus oder der Aufnahme einer Ausbildung bzw Studium übergangslos mit einer Brachialität hervor, die das Umfeld (und auch die Betroffenen selbst), völlig überrascht und überfordert. Zuvor bestehenden Strukturen von außen brechen mit dem Auszug weg. Die junge Frau verliert ihre Hilfen zur Kompensation. Die ganze Zeit schien auf den ersten Blick alles normal, jetzt kommt ein Verhalten zum Vorschein, das alle irritiert. Die Lebensumstände der jungen ADHS-betroffenen Frau verändern sich. Zuvor hatte sie ein Zimmer, welches sie in Ordnung halten sollte. Dies hat sie gerade noch geschafft. Die Wäsche erledigten die Eltern, Termine gab es kaum. Auf einmal ist die junge Frau auf sich allein gestellt. Sie muss ihr Leben selbst organisieren, ihre Wohnung in Ordnung halten, die Wäsche waschen, sich um den Einkauf kümmern, Termine einhalten und Rechnungen bezahlen. Für jeden jungen Menschen ist dies eine Umstellung. Für einen ADHS’ler stellt es eine ungemeine Herausforderung dar. Die junge Frau ist überfordert, blockiert, schiebt alles vor sich her und verliert sich im Chaos. Sie bricht ihre Ausbildung oder das Studium ab, wechselt häufig die Arbeitsstellen und Partner, konsumiert Suchmittel, und schafft es nicht, ihre Wohnung, ihre sozialen Kontakte, ihre Hobbies – kurz, ihr Leben – in Ordnung zu halten. Auf der anderen Seite sieht sie, wie leicht es den Menschen in ihrer Umgebung fällt, ein „normales“ Leben zu führen. Sie spürt die mitleidigen, abwertenden Blicke und die offenen Kommentare. Depressionen und Ängste sind die Folge. Viele ADHS-betroffene Frauen machen Erfahrungen mit Schikanierungen durch ihr Umfeld. Bereits als Mädchen haben sie Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion. Sie sind Opfer von Mobbingattacken. Als Konsequenz interpretieren sie ihre Schwierigkeiten als eigenes, persönliches Versagen.

Viele betroffene Frauen suchen in dieser Situation therapeutische Hilfe. Es ist ihnen unbegreiflich, was los ist. Das ganze Chaos in Worte zu fassen fällt schwer. Häufig sieht auch der Therapeut nur das Offensichtliche.  Eine junge Frau, die an Depressionen oder Ängsten leidet. Und genau diese Erkrankung wird behandelt. Die zugrundeliegende ADHS wird übersehen, sie ist durch die Depression überdeckt. Viele betroffene Frauen verschweigen aus Scham ihre massiven Schwierigkeiten im Alltag. Wer gibt gegenüber einem Fremden – selbst wenn es ein Arzt ist –  zu, dass sie es nicht schafft, die Wohnung in Schuss zu halten? Dass es ein einziges Chaos ist, die Wäsche sich türmt, das Essen im Kühlschrank vergammelt und unbezahlte Rechnungen herumliegen? Eine nicht erkannte ADHS führt in Therapien zu Frustrationen. Der Therapeut gibt Ratschläge zur Alltagsbewältigung. Eine Frau mit ADHS kann diese nur sehr schwer umsetzen. Der Therapeut, in Unkenntnis der Diagnose, missversteht es als Therapieverweigerung Es entstehen Missverständnisse und Konflikte, Therapien werden abgebrochen.

Auf den ersten Blick sieht man vor allem Frauen vom hyperaktiven oder kombinierten Typus ihre Schwierigkeiten kaum an. Sie wirken eloquent und selbstsicher. Sie sind sozial, tanzen auf allen Hochzeiten gleichzeitig, sind aktiv und beschäftigt. Ein gewisses Maß an Chaos ist ihnen anzumerken. Durch ihr Charisma drückt ihr Umfeld ein Auge zu. Durch ihren Rededrang haben sie keine Schwierigkeiten, in Kontakt zu kommen. Sie reißen andere Menschen mit ihrer überschwänglichen und übersprudelnden Art mit. Doch nach kurzer Zeit ist ihr Umfeld mit ihrem Wesen oft überfordert. Sie stellen ihre Mitmenschen auf harte Geduldsproben. Sie kommen zu spät, vergessen Termine oder Termine überschneiden sich. Sie gelten als unzuverlässig. Von einem Moment auf den anderen verwerfen sie Pläne. Die Tage sind vollgepackt mit Aktivitäten, die nicht zu schaffen sind. Der Zeitplan gerät außer Kontrolle. Es fällt ADHS-betroffenen Frauen von sich aus schwer, geknüpfte Kontakte aufrecht zu erhalten. Freunde werden in einem spontanen Impuls angerufen und sollen für Aktivitäten bereitstehen. Wird dieses Bedürfnis von der anderen Seite nicht erfüllt, kommt es zu heftigen emotionalen Reaktionen. Es fällt den betroffenen Frauen schwer, stabile und tiefergehende Beziehungen einzugehen. Durch die gesamte Lebensspanne hindurch kommt es zu einem häufigen Wechsel von Freundschaften und Partnerschaften. Ihre Begeisterungsfähigkeit und Neugier steckt initial an. Mit ihrem Tempo mithalten können nicht viele. Auf Dauer sind die meisten Menschen damit überfordert. Die betroffenen Frauen vereinsamen. In jungen Jahren neigen viele Mädchen zu riskantem Sexualverhalten, das Risiko, Opfer von Missbrauch zu werden, ist groß.  Teenager-Schwangerschaften sind häufig bei ADHS-betroffenen Frauen zu finden.

Frauen mit ADHS, bei denen der unaufmerksame Typus dominiert, sind zurückgezogen. Sie sind ängstlich, risikoscheu und lassen sich schnell entmutigen. Sie haben kaum soziale Kontakte, verlieren sich in Tagträumereien, neigen dazu, Dinge vor sich herzuschieben. Sie wirken nach außen faul und träge. Beruflich bleiben sie hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Bei Frauen ist ADHS eine tückische Erkrankung. Trotz aller Emanzipation liegt der Großteil der Aufgabe der Organisation des Haushaltes in den Händen der Frau. Die Frau von heute geht arbeiten. Trotzdem hat die Wohnung sauber zu sein. Zum Großteil obliegt es der Frau, sich um die Kinder zu kümmern, ihnen die Kleider raus zulegen, Schulbrote zu schmieren und an Elternabende zu denken. Sie macht mit den Kindern Hausaufgaben, fährt sie zur Schule, wäscht die Wäsche und kocht. Die sozialen Kontakte dürfen nicht vergessen werden. Die Rollenerwartung der Frau ist heutzutage weiterhin, dass sich die Frau kümmert, liebevoll für alles sorgt und an jegliche Termine denkt. Bei Männern mag die Nase gerümpft werden, wenn etwas nicht richtig läuft – Frauen werden kritisiert. Die ADHS-betroffene Frau schafft es nur mit äußerstem Kraftaufwand, dieses Rollenbild zu erfüllen. Immer wieder kämpft sie gegen ihre eigenen Windmühlen. Und immer wieder fragt sie sich, was sie falsch macht, warum es bei ihr nicht funktioniert. Sie fragt sich, warum es anderen so leichtfällt. Als logische Konsequenz sucht die ADHS-betroffene Frau die Schuld bei sich und denkt, etwas stimmt nicht mit ihr. Sie bekommt Minderwertigkeitsgefühle und hat Ängste vor jeder neuen Aufgabe. Trotzdem schaffen es viele Frauen sehr lange, diese Ängste zu kaschieren. Sie zeigen sie niemandem, die Fassade bleibt stabil. Sie verlieren sich mehr und mehr, achten nicht auf ihre Bedürfnisse. Nur der Schein und das Bild nach außen zählen für sie.

Eine unerkannte ADHS bei Frauen ist ein langer Weg voller Frustrationen, Versagensgefühlen, Selbstanschuldigungen und Selbstwertproblemen. Die Frauen kämpfen mit Ängsten, sie tragen ihre Schwierigkeiten und Konflikte mit sich selbst aus. Während die Männer explodieren leiden die betroffenen Frauen still vor sich hin („implodieren“). Sie wollen nicht auffallen und verleugnen ihre Schwierigkeiten.  Auf der Suche nach Möglichkeiten zum Abbau des Stresses und der Unruhe beginnen sie, an den Nägeln zu kauen, rauchen, essen übermäßig viel oder erbrechen sich. Viele entwickeln eine Essstörung.

Viele ADHS-betroffene Frauen reagieren sehr sensibel auf hormonelle Veränderungen. Wenige Tage vor Einsetzen der Regelblutung verstärken sich die Symptome der ADHS. Vor allem die Gefühlsschwankungen nehmen zu. Die Frauen sind in dieser Zeit ihren Gefühlen mehr denn je ausgeliefert. Die Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren und bei einer Aufgabe zu bleiben, steigen.  Viele ADHS-betroffene Frauen leiden an einem Prämenstruellem Syndrom. Die hohe Anfälligkeit der Symptome für hormonelle Schwankungen macht es Frauen mit ADHS schwer. Die Pubertät ist für jedes Mädchen und jeden Jungen eine schwere Zeit. Wenn ADHS hinzukommt, ist das Chaos in der Pubertät perfekt. Die heranwachsende Frau ist ihren Emotionen ausgeliefert. Die Gefühle fahren durch die ADHS Achterbahn, durch die Hormone wird die Fahrt ein Höllenritt. Die Konzentrationsschwierigkeiten, die Unruhe und die Desorganisiertheit unterliegen ebenfalls Schwankungen. Zusätzlich zu den „normalen“ Schwierigkeiten in der Pubertät kommt bei Mädchen mit ADHS die verstärkende Instabilität durch die Hormone hinzu.

Die gleichen Schwierigkeiten treten in den Wechseljahren auf. Erneut schwanken die Hormone, die Veränderungen sind nur schwer beeinflussbar. Die ADHS-betroffene Frau ist dem hormonellen Wechselbad und dem Einfluss auf die Symptome der ADHS hilflos ausgeliefert. Völlig unerwartet kippt die Stimmung. Es kommt zu unbeherrschten Ausbrüchen, auf die das Umfeld verständnislos reagiert. Nach und nach ist die betroffene Frau als hysterisch verschrien. Die Konzentration ist von einem Moment auf den anderen nicht mehr vorhanden. Sie kann ihren Fokus nicht mehr dort aufrechterhalten, wo es gefordert ist. Dies ist erneut eine Zeit, in der von der ADHS-betroffenen Frau alles abverlangt wird. Sie setzt sämtliche erlernten Bewältigungsstrategien und Vermeidungsstrategien ein. Sie benimmt sich zum Teil sehr penibel, fast zwanghaft, um keinen Fehler zu machen, um nichts zu übersehen. Die Arbeit geht langsam voran, ihr wird Lethargie und eine passive Haltung vorgeworfen. Ihre extreme Anstrengung und Erschöpfung sieht niemand. Sie leidet massiv darunter, reagiert mit Scham. Es entstehen Konflikte im Arbeits- und Berufsleben. Es dauert nicht mehr lange, dann wird sie sich zurückziehen, bekommt Depressionen und Ängste.

ADHS ist eine klinische Diagnose. Die Diagnosestellung beruht auf einem ausführlichen ärztlichen Gespräch. Zusätzlich werden Fragebögen und Zeugnisse zur Beurteilung der Symptome in der Kindheit hinzugezogen. Wenn möglich, werden Eltern oder Personen aus dem Umfeld der Betroffenen befragt. Viele Frauen und Mädchen sind leider sehr gut darin, ihre Symptome zu verstecken. Nicht selten beschreiben Personen aus dem Umfeld und Zeugnisse sie als „unauffällig“. Frauen mit ADHS spielen den Ausprägungsgrad ihrer Symptome herunter. Dadurch wird bei vielen eine Diagnose ausgeschlossen oder der Schweregrad und die Beeinträchtigung nicht erkannt. Ehrlichkeit bei der Beschreibung der Symptome ist von immenser Bedeutung. Falsche Scham verhindert die Diagnose und verlängert den Leidensweg. Nur die völlige Offenheit und Ehrlichkeit der ADHS-betroffenen Frau mindert ihren Leidensweg.

Es gibt drei Medikamente zur Behandlung der ADHS im Erwachsenenalter. Bei vielen Frauen sind die ADHS-Symptome zyklusabhängig. Es ist wichtig, dass die betroffene Frau einen Zykluskalender führt. In diesen trägt sie gleichzeitig die Stärke und Ausprägung der ADHS-Symptome ein. Sie hilft dem Arzt, die Medikation optimal einzustellen. Bei einigen Frauen ist wenige Tage vor Beginn der Regelblutung eine Anpassung der Medikation notwendig. Die Frauen selbst können sich durch das Führen des Kalenders ebenfalls besser auf die Symptomschwankungen vorbereiten. Wenn man weiß, was mit einem los ist, kann man es besser annehmen. Wenn man weiß, dass nach dem Regen die Sonne wieder scheinen wird, übersteht man diese Tage leichter.

Das wichtigste für jede Frau mit ADHS ist das Wissen um ihre Besonderheit. Das Wissen darum, warum sie anders ist, warum ihr Umgang mit den Anforderungen des Alltags ein anderer ist. Dass es kein persönliches Versagen ist, sondern dass ihr Gehirn auf eine andere Art und Weise funktioniert als das ihrer Mitmenschen. Dass sie, ganz im Gegenteil, nicht versagt hat, sondern viel härter gekämpft hat, um all das zu erreichen, was sie erreicht hat. Und dass sie bei allem sich selbst nicht vergessen darf.

Autor: Dr. Jana Engel
Kontaktdaten: Riedstadt E-Mail: [email protected]

Literatur:

  • Keltner, L. Norman, Woodman, Elizabeth Taylor: Messy purse girls: adult females and ADHD. Perspect Psychiatr Care. 2002 Apr-Jun; 38(2): 69–72.
  • Engel, Jana (2018). Der „unaufmerksame“ Typus erschwert die Diagnose. DNP – Der Neurologe & Psychiater. 19. 20-24.
  • Engel, Jana. ADHS bei Frauen. Sonderbericht. ÄrzteZeitung für Neurologen und Psychiater, Nr. 2, April 2018, 13.
  • Solden, Sari. Die Chaos-Prinzessin: Frauen zwischen Talent und Misserfolg, 1. Auflage 1998, Verlag: Bundesverband Aufmerksamkeits- störung, ISBN-13: 9783933067029
  • Hörsting, Ann-Kristin. AD(H)S bei Frauen. neuro aktuell 02/16, 26-28.