Diagnose

Eine gesicherte Diagnose ist die Grundvoraussetzung für sinnvolle Therapiemaßnahmen. Die Diagnostik der Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) orientiert sich nach internationaler Übereinkunft heute an den Kriterien der beiden diagnostischen Systeme ICD-10 und DSM-IV. Eine Abklärung sollte im Rahmen einer differenzierten Diagnostik von einem hierauf spezialisierten Arzt erfolgen.

Hierzu gehören als Routinediagnostik

  • Eigen-, Familien-, Fremdanamnese,
  • körperliche und neurologische Diagnostik,
  • motoskopischer/motometrischer Entwicklungsstatus,

Bei Bedarf und bestimmten Hinweisen:

  • Audiometrie, Visusüberprüfung,
  • EEG und Laborstatus.

Des weiteren sind neuropsychologische Testverfahren durchzuführen wie

  • Leistungstests, Konzentrationstest,
  • Testung auf Teilleistungsschwächen.

Zur Differenzialdiagnostik gehört der Ausschluss von Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik und die Feststellung eventueller begleitender (assoziierter) Störungen (z. B. Teilleistungsstörungen, Tics, Asperger-Syndrom, Zwangsstörungen, Depressionen). Bei Verdacht auf eine nahrungsmittelinduzierte ADHS-Symptomatik sollten weitere Untersuchungen in dieser Richtung folgen.

Die Frage nach den Ursachen der ADHS wird leider immer noch kontrovers oft auch sehr emotional diskutiert. Mediziner sprechen von einer organischen Störung, Psychologen und Pädagogen gehen eher von einer psychischen Störung als Reaktion auf krankmachende familiäre und gesellschaftliche Belastungen aus. Darüber hinaus gibt es noch weitere Theorien, die aber eine untergeordnete Rolle spielen.

Erbfaktoren spielen offenbar bei der Verursachung der ADHS eine große Rolle. Für eine genetische Disposition spricht, dass die Eltern dieser Kinder sehr häufig eine ähnliche Symptomatik zeigen. Das hat sich vor allem in Adoptions- und Zwillingsstudien gezeigt.

Die Mehrzahl der Mediziner geht heute davon aus, dass die Störung auf eine Dysfunktion bestimmter Regelsysteme im Frontalhirnbereich beruht, auf einem Ungleichgewicht in verschiedenen Neurotransmittersystemen. Die Botenstoffe Dopamin, Serotonin und Noradrenalin spielen hier eine entscheidende Rolle.

Psychosoziale Bedingungen (z. B. ungünstige familiäre Situation) werden von den meisten Wissenschaftlern nicht als primäre Ursachen der ADHS angesehen! Sie können aber deren Schweregrad erheblich beeinflussen und zur Verstärkung und Verfestigung unerwünschter, negativer Verhaltensweisen entscheidend beitragen.
 

Für die Diagnostik und Therapie der ADHS wurde 2019 die S3-Leitlinie „ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“, veröffentlicht bei AWMF online. Neben allgemeinen Informationen über das Krankheitsbild ADHS enthält diese Leitlinie Handlungsempfehlungen für Ärzte, Psychotherapeuten und andere Berufsgruppen, die Patienten mit ADHS betreuen. Da sie für Fachleute geschrieben wurde, ist sie nicht für jeden verständlich.

Die Anpassung der oben genannten Leitlinie für Patienten, Angehörige und Interessierte erfolgte im Dezember 2020. S3 bedeutet, dass die Leitlinie nach den höchsten Ansprüchen erstellt wurde, die in Deutschland gelten. In der vorliegenden Leitlinie für Patienten werden daher die Empfehlungen in eine allgemein verständliche Sprache übersetzt. Dabei orientiert sich die Patientenleitlinie eng an der Leitlinie für Fachleute, gibt diese aber nicht in voller Ausführlichkeit und im Original-Wortlaut wieder.

http://www.adhs-deutschland.de/Portaldata/1/Resources/pdf/1_1_aktuelle_infos/Patientenleitlinie.pdf

Therapien

Ein multimodaler Therapieansatz ist nach derzeitigem Wissensstand am meisten Erfolg versprechend. In der Regel finden die Behandlungen ambulant statt.

Dazu können u. a. gehören

  • eine Situationsanalyse,
  • die Elternberatung und -training,
  • bei neurologischem Befund eine gezielte Physiotherapie,
  • verhaltenstherapeutische Interventionen,
  • der Einsatz von Medikamenten.
  • Coaching, sozialtherapeutische Unterstützung

Es kommt auch vor, dass die ADHS von einer oder mehreren ähnlichen Störungen begleitet wird. Dann muss die Therapie auch auf diese Störungen erweitert werden.

Die ADHS lässt sich mittlerweile relativ gut behandeln, heilen kann man sie aber nicht!

Anlaufstellen 

Bereits ab dem Säuglingsalter kann man sich bei bestehenden Schwierigkeiten an Kinderärzte, Frühförderstellen, Sozialpädiatrische Zentren, Spezialambulanzen, Erziehungs- und Familienberatungsstellen und Elterngruppen wenden. Bei erheblichen psychiatrischen Begleiterkrankungen sollte der erfahrene Kinder- und Jugendpsychiater hinzugezogen werden. Auch die Jugendämter haben Fördermaßnahmen für Kinder, die von seelischer Behinderung bedroht sind. Im Schulalter kann auch der schulpsychologische Dienst weiterhelfen. Therapeuten, Eltern, Erzieher und Lehrer sollten im Interesse des Kindes unbedingt zusammenarbeiten!

Erwachsene

Ob eine Therapie bei ADHS im Erwachsenenalter notwendig ist, hängt vom Leidensdruck ab. Häufig bringt schon die Diagnosestellung eine spürbare Erleichterung, da die bestehenden Schwierigkeiten nun endlich zu erklären sind. Frau Dr. J. Krause stuft z. B. folgende Situationen als behandlungsbedürftig ein:

  • drohender Verlust des Arbeitsplatzes,
  • Angst, wegen innerer Unruhe verrückt zu werden,
  • tiefe Depression, extreme Antriebslosigkeit,
  • ständig gespannte Ärgerlichkeit, die zu gesellschaftlicher Isolation führt,
  • dauerhafte motorische Unruhe,
  • übermäßiger Alkohol-, Nikotin- und/oder Cannabiskonsum,
  • Verlust der Fähigkeit, das Alltagsleben zu organisieren,
  • das Gefühl, allen Geräuschen ausgeliefert zu sein
  • extreme Sensationslust, die zur Selbstgefährdung führt
  • permanente Angst, keinen Durchblick mehr zu haben oder unter abruptem Abbruch der Konzentration zu leiden.

Medikamente

Bei der Behandlung von Menschen mit ADHS sind Medikamente, vor allem Methylphenidat und Amphetamin Mittel der ersten Wahl. Der Schweregrad der ADHS bestimmt, ob die Verordnung eines Medikamentes angebracht ist, die Symptomatik entscheidet, welches Medikament am sinnvollsten ist. Die Behandlung ist symptomorientiert und jeder Patient braucht seine individuelle Dosierung. Medikamente stellen oft einen Basisbaustein dar, ohne den weiterführende Therapien kaum erfolgreich sind, und sind deshalb in solchen Fällen unverzichtbar.

Weitergehende Informationen zu Therapien findet man unter http://www.adhs-deutschland.de/Home/ADHS/Therapie.aspx